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Robert Tomić – The Silent Cost of Bad Decisions in Housing Projects | © THA 2025 

Die stillen Kosten schlechter Entscheidungen in Wohnbauprojekten

Die meisten Kostenüberschreitungen in Wohnbauprojekten entstehen nicht durch Beton oder Stahl. Sie entstehen durch Entscheidungen, die zu spät, zu unpräzise oder ohne echtes Verständnis der Bauvorschriften getroffen werden. Zunächst bleiben diese Kosten unsichtbar. Still. Sie erscheinen weder im Budget noch im Zeitplan. Doch jeder unklare Schritt löst eine Kettenreaktion aus. Wenn die Konsequenzen sichtbar werden, ist der Schaden längst eingetreten – in verlorenen Monaten, steigenden Gebühren und schwindendem Vertrauen.

Frühe Entscheidungen, verborgene Risiken

Der Beginn eines Projekts ist oft der am meisten unterschätzte Moment.

  • Wer ein Grundstück ohne genaue Widmungsprüfung erwirbt, stellt häufig erst im Nachhinein fest, dass die Bebauungsgrenzen deutlich enger gezogen sind als gedacht.
  • Unterbleibt die Prüfung der Nachbarschaft, genügt ein einziger Einspruch, um die Bewilligung um Monate hinauszuschieben.

In Hochglanzbroschüren der Immobilienwirtschaft werden diese Fallstricke verschwiegen. Doch gerade sie entscheiden, ob ein Projekt seinen Weg findet – oder noch vor dem Beginn blockiert wird.

Die Illusion des Sparens

Was im Augenblick wie eine kluge Abkürzung erscheint, entpuppt sich häufig als verdecktes Risiko auf Zeit.

  • Wer auf ein Bodengutachten verzichtet, „spart“ einige tausend Euro.
  • Erweist sich der Boden beim Aushub als instabil, schnellen die Fundamentkosten schlagartig in die Hunderttausende.

Hätte man das Problem rechtzeitig erkannt, ließe sich das Gebäude anders positionieren, der Entwurf anpassen und das Budget korrigieren. Doch so wird das Projekt zum Opfer seiner eigenen Kurzsichtigkeit. Tatsächlich besteht die wirkliche Ersparnis in Voraussicht – in sorgfältiger Planung, klaren Optionen und dem frühzeitigen Durchspielen verschiedener Szenarien. Ist der Bau einmal im Gang, wird er zur Achterbahn: Die Strecke steht fest, die Steuerung ist minimal.

Der Dominoeffekt kleiner Fehler

Im Wohnbau steht nichts für sich allein.

  • Wer ein Stiegenhaus nach der Einreichung versetzt, löst damit oft eine Kettenreaktion aus: neue Brandschutznachweise, überarbeitete Pläne – im schlimmsten Fall sogar eine komplette Neueinreichung.

Selbst scheinbar „kleine“ Änderungen setzen eine Kettenreaktion in Gang: Fachplaner stimmen neu ab, Behörden prüfen erneut, und der Zeitplan dehnt sich von Wochen auf Monate. Für Investoren besteht die Kunst darin, den Moment des Eingreifens zu erkennen – und ebenso den Moment, Entscheidungen stehen zu lassen. Echte Kontrolle bedeutet, den Zeitpunkt präzise zu wählen, nicht unaufhörlich nachzubessern.

Klarheit ist die beste Versicherung

Die stillen Kosten fehlerhafter Entscheidungen zeigen sich nicht allein in Zahlen. Sie untergraben das Vertrauen – von Auftraggebern, Banken, Bauunternehmen und schließlich auch den Bewohnern.

  • Klarheit bleibt die verlässlichste Form der Absicherung.
  • Eindeutige Pläne beugen Konflikten vor.
  • Saubere Koordination schließt verdeckte Überschneidungen aus.
  • Rechtzeitig getroffene, klare Entscheidungen bewahren davor, dass stille Kosten in offene Krisen umschlagen.

Architektur bedeutet nicht allein die Kunst der Raumgestaltung, sondern ebenso die Disziplin, Projekte gegen ihre unsichtbaren Risiken abzusichern.

In Wohnbauprojekten ist Schweigen nie neutral. Jede unterlassene Entscheidung wächst zu einer Schuld. Jede Abkürzung trägt den Keim künftiger Mehrkosten in sich. Der eigentliche Wert der Architektur zeigt sich nicht allein im Gebauten, sondern in dem, was verhindert wird: Verzögerungen, Kostenexplosionen, Streitigkeiten. Die stillen Kosten falscher Entscheidungen sind real – und zugleich vermeidbar. Sie verlangen Weitsicht, Strenge und vor allem den Mut, von Beginn an klare Entscheidungen zu treffen.

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Herzlichen Dank fürs Lesen.

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